Donnerstag, 19. Februar 2015

Tag 2 Fährhafen Trelleborg – Västeras, Schweden


erster Tag in Schweden ca 640km

Irgendwann zwischen 4 und 5 Uhr früh wachte ich auf. Ich war wie zerschlagen, Kopf, Nacken, Rücken – alles tat mir weh. Diese bescheuerten Sitze! Ich fühlte mich müde und miserabel, und so wollte ich den ganzen Tag mit dem Motorrad fahren? Wie es Marc ging interessierte mich in meinem Zustand nicht, aber wahrscheinlich hat er geschlafen wie ein Baby. So eine Nacht passiert mir sicherlich nicht wieder!
Aufgehende Sonne 5.50 Uhr
Gegen Müdigkeit helfen bei mir immer zwei Dinge, Kaffee und Zucker. Also gingen Marc und ich in das große Restaurant gleich nebenan. Der eine Kellner sprach Marc gleich auf unsere Nordkap-Tshirts an und erzählte irgendetwas. Richtig mitbekommen habe ich davon nix, mein Gehirn war dafür noch zu benebelt. Kaffee und Zucker standen auf meiner Liste. Ich fand beides problemlos, eine weitere Speise mit etwas Substanz fehlte mir aber noch. Belegte Brötchen oder Ähnliches hätte ich gerne noch gehabt. Aber es gab nur große glänzende Schokomuffins, denen man die industrielle Herstellung schon von weitem ansah. Egal, ich kaufte mir so ein großes klebrig süßes Schokoteil. Es schmeckte genauso schlecht wie es aussah. Aber durch ausreichendem Nachspülen mit heißem Kaffee konnte ich es runter schlucken. Blitzartig strömte der Zucker in rauen Mengen koffeinverdünnt durch meine Adern und vertrieb die bleierne Müdigkeit aus meinen Gliedern. Plötzlich war ich putzmunter und freute mich aufs Anlanden an der schwedischen Küste. So schlimm war die Nacht doch garnicht!
Wo gestern noch gähnende Leere war....
Runter zu den Motorrädern, wo gestern noch weite gähnende Leere war stand jetzt dicht gepackt ein Lastzug neben dem anderen. Wir waren richtig eingeschlossen und mussten warten bis sich die 40 Tonner  aus dem Schiffsbauch gequält hatten. Spannriemen gelöst, Zeugs angezogen und gewartet bis die Brummis abfuhren. 
Zugeparkt auf dem Fahrzeugdeck
Als sie raus waren Helm aufgesetzt und den gleichen Weg von gestern Abend zurückgefahren, ins blaue Traumwetter hinein. Nur diesmal in Schweden und nicht in Mecklenburg. 
Runter vom Schiffsdeck
Fahrt durch den Hafen

Wir fuhren erstmal stur den LKWs durch den Hafen hinterher und irgendwann kamen dann Hinweisschilder für PKW. Diesen Spuren folgend verließen wir den Hafen. Wir waren in Skandinavien angekommen und die lange Fahrt auf der Straße begann. Sie sollte rund 7.000 km bis zur nächsten Ostseefähre  lang sein.
Ausfahrt aus dem Hafen
Trelleborg ist eine normale größere Stadt, die Kennzeichen und Werbeschilder sind ein wenig anders, sonst ist kein großer Unterschied festzustellen. Wir wollten ja in Schweden Strecke machen, also fuhren wir schnurstracks auf die Autobahn E20 Richtung Malmo. In Helsingborg wechselten wir auf die E4 und fuhren die lange Strecke Richtung Stockholm bis nach Västerås, ca. 80 km westlich von Stockholm.
Lange Autobahntouren sind das Highlight auf jeder unserer Touren. Aber hier wurde es etwas aufgewertet durch die liebliche schwedische Landschaft, Hügel und Wälder, Wiesen und Felder, viele rote Holzhäuser….ok nach ner Stunde wird das dann auch Langweilig. Der große See Vättern brachte zeitweise etwas Abwechslung in die Fahrt, die riesen Wasserfläche mit Häfen und vielen Booten neben der Straße sah super aus.
Erste kleine Rast hinter Trelleborg
Abwechslung  in die Autobahnbolzerei brachten nur die 3 Tankstopps die wir machen mussten. Tanken war überhaupt auf der gesamten Tour neben dem Fahren unsere häufigste Beschäftigung. Die Kräder haben eine Reichweite von 230..250 km, und so musste man alle Nase lang anhalten und hatte ständig eine Zapfpistole in den Händen.
Vor schwedischen Feldern
Die Temperatur in Schweden hat uns überrascht. Statt kühlem Nordwetter waren es auch hier 30° warm, keine Wolke war am Himmel und die Sonne strahlte gnadenlos auf uns hinab. Der Fahrtwind sorgte für etwas Abkühlung, aber drei Punkte machten mir etwas zu schaffen. Meine erstklassige Dane-Textiljacke hat am Ärmelende  sogenannte Stormcuffs, eigentlich Gummibündchen die die Arme komplett umschließen und gegen Wind und Wetter abdichten. Normalerweise super Sache, aber bei 30° kommt dann auch kein Lüftchen durch und die ganzen Arme braten bei den Temperaturen im eigenen Saft. Die Handprotektoren meiner KTM schützen die Hände sehr gut vor  Wind, Regen usw. Aber eben auch vor kühler Luft bei hohen Temperaturen. Gleiches Problem wie bei den Armen. Und abschließend habe ich bei meiner umfassenden Planung der Tour meinen Hals halb vergessen. Für kältere Bereiche hatte ich meinen prima Neopren-Halsschutz LINK dabei. Er hielt mich später auch immer warm und trocken, aber an den heißen Tagen konnte man das Teil unmöglich verwenden. Ich fuhr also am Hals nackig durch die Gegend. Eigentlich kein Problem, aber bei stundenlangen Fahrten unter praller Sonne kommt es bei meiner blütenweisen Haut schnell zum Sonnenbrand am Hals. Ein Faktor den ich überhaupt nicht auf meiner Rechnung hatte. Da Marc und ich kein weiteres Tuch mithatten musste ich das erstmal ertragen und konnte nur schauen ob es in den Tankstellen was Passendes zu kaufen gibt.  Marc der alte Fuchs hatte sich vor der Tour beim Louis in Leipzig noch ein originales Buff LINK geholt. Die 17€ waren mir damals aber zu teuer.
Pause auf einer Raststätte
 So fuhren wir also unter der sengenden Sonne in Richtung Stockholm. Die Belastung durch die Autobahn-Gurkerei und die hohe Temperatur setzte uns dabei ganz schön zu.
Dass die Nacht auf der Fähre nicht so toll werden würde hatten wir schon vorher geahnt. Um uns an diesem Tag die Suche nach einer Unterkunft zu ersparen buchten wir kurz vor der Abreise eine Hütte über das Internet. Die Adresse hatten wir ins Navi geworfen und erwarteten jetzt dass die freundliche Dame uns direkt bis vor die Rezeption leitet. Aber irgendwie klappte das nicht, wir standen in irgendeinem Wohngebiet in Västerås, Straße, Nummer und PLZ passten irgendwie nicht zusammen und von dem Sommercamp gab es keine Spur. Links rum, rechts rum, nochmal im Internet nach der Adresse geschaut, aber beide TomToms streikten. Zur Ehrenrettung von TomTom: Das Navigon auf dem Handy hat auch nix vernünftiges gefunden. Zwischendrin mussten wir Tanken. Kein Problem, gleich nebenan war eine Tanke. Hingefahren, getankt und weitergefahren. Danach fuhren wir noch zu einer Bank um uns mit Bargeld zu versorgen. Dort merkte Marc dass er seine schicke neue Brille nicht mehr auf der Nase trug. Wahrscheinlich hatte er sie beim Tanken abgesetzt und dort liegen gelassen. Er hat halt noch zu gute Augen, ich mit meinen 4 Dioptrien hätte ohne Brille nicht mal den Gasgriff gefunden. Wir kehrten um, die Brille wird bestimmt noch auf der Zapfsäule liegen.  Lag sie aber nicht, auch nicht auf den anderen Säulen, im Shop war sie nicht abgegeben worden, zerschmettert auf dem Boden lag sie auch nicht, sie war spurlos verschwunden! Ein toller Start der Tour! Und das war nicht die erste Brille die so verschwunden ist…
Urplötzlich heilt Marc seine Brille in der Hand. Sie lag die ganze Zeit auf seiner Hecktasche. Obwohl wir fast quer durch die ganze Stadt gefahren sind und dabei zig mal um die Ecke bogen lag das gute Stück auf der Hecktasche als ob sie festgebunden wäre. Unglaublich, Glück muss man haben.

Mit nun wieder vier halbwegs scharfen Augen machten wir uns erneut auf die Suche. Nach weglassen von PLZ und Hausnummer fand ein Navi einen weiteren Teil der Straße im Süden der Stadt –fahren wir da mal hin. Die Stadt blieb fast zurück, Waldstücke und Seen säumten die Straße und wir fuhren über eine längere Brücke. Und irgendwann entdeckte ich an einem Schotterweg das Hinweisschild  zu „Björnö Cottages“. Endlich hatten wir das Hüttending gefunden. Erstaunlich das es trotz Adresse Stunden dauern kann bis man sein Ziel findet.
Der Campingpark LINK bestand aus vielen kleinen, wie üblich roten Holzhütten und lag direkt an dem See Västmanlands Län.
Wir fuhren zur Verwaltungshütte und schälten uns aus den Klamotten. In der Stadt fehlte der kühlende Fahrtwind und uns war mächtig heiß und wir waren durchgeschwitzt. Jetzt eine Dusche!
Die diensthabende hübsche (was sonst) und blonde (was sonst) Schwedin war auf unsere Ankunft vorbereitet. Schnell die Visa durchgezogen und wir hatten den Hüttenschlüssel in der Hand. Sie zeigte uns noch schnell die Hütte, Küche und Bad. Die Hütte war für 4 Personen gedacht, entsprechend groß und mit einer richtigen Küche ausgestattet. Wunderbar!
Unsere erste Hütte
Zum ersten Mal auf der Reise bezogen wir unser Quartier. Die Reisedampfer wurden vor die Hütte bugsiert,  Koffer und Taschen abgeschnallt und der Inhalt in die Hütte verfrachtet. In Sekundenbruchteilen wurde dadurch eine schöne, aufgeräumte und leeren Hütte in ein Chaos aus Taschen, Motorradklamotten, Stiefeln usw. verwandelt. Eine Metamorphose die sich in den nächsten Wochen täglich abspielen sollte, und die mich jedes Mal erstaunte.
Auf der Herfahrt hatten wir kurz vor dem Campingpark einen Supermarkt gesehen. Dort fuhren wir nochmal mit den gepäckbefreiten Moppeds in Jeans und ohne Jacke hin. Herrlich wie leicht sich die Maschinen ohne Beladung fuhren und wie schön der Fahrtwind kühlte. Wir kauften uns jeder eine Pizza fürs Abendbrot und fürs Frühstück irgendwelche Quarktaschen und Schokomuffins (die kennt man ja).
 Der blonde schwedische Engel hatte etwas von einem Badestrand geflötet. Wir waren so durchgeschwitzt und genervt von dem Tag in Moppedzeug bei 30°, ein Sprung ins kühle Wasser wäre jetzt die Erlösung. Badehosen hatten wir natürlich aus Gewichtsgründen nicht eingepackt (sollte ja kein Strandurlaub werden). Aber der modische Männerslip sieht ja fast wie eine Badehose aus, und außerdem kennt uns hier eh keiner. Also sind wir so wie wir waren zum See geschlurft. Das Ufer war sehr felsig, soll in den skandinavischen Fjorden ja öfters vorkommen. Es gab deshalb nur einen kurzen Steg der ins Wasser führte. Wir zogen unser verschwitztes Zeug bis auf die U-Hose aus und stiegen ins Wasser. Was für eine Wohltat! Nach mehr als 30 Stunden in den Klamotten, nach der heißen Fahrt zur Fähre, der warmen, unbequemen Nacht auf dem Schiff und dem Tag auf der 30° warmen Autobahn plötzlich dieses Bad in dem kühlen erquickendes Nass.
Welch Genuss und welch krönender Abschluss des Tages. Urlaub kann so schön sein!
Nach der langen Genussphase gingen wir hungrig zurück zur Hütte und aßen die Pizzen. 
Da es trotz später Stunde noch hell war gingen wir vor dem Zapfenstreich nochmal zu den Felsen am See. Dort gossen wir schottischen Götternektar in unsere schnöden Blechtassen.
Bei der Schottlandtour letztes Jahr hatten wir durch intensives hartes tägliches Training herausgefunden das uns hochwertiger Whisky schmeckt, und das es nicht zu teuer ist 40..50€ für eine solche Flasche auszugeben.
Enjoy
Wir saßen müde vom anstrengenden Tag auf dem Felsen, schauten auf die schöne schwedische Seenlandschaft und atmeten den faszinierenden Duft des schottischen Gerstensaftes tief in uns ein….Leben ist schön!



 
Ankunft in Trelleborg

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