Montag, 2. März 2015

Tag 5 – Rovaniemi/Finnland – Kirkenes/Norwegen

Rovaniemi – Kirkenes ca.520km


















Jetzt fängt die Tour endlich an richtigen Spaß zu machen. Statt wie bisher den ganzen Tag auf der Autobahn stur und stupide gerade aus zu fahren geht es jetzt endlich über kleinere Landstraßen durch Nordfinnland. Es geht auch nicht anders, das sind hier die größten Straßen die es gibt.
Die bisher über 2.000 gefahrenen Kilometer verbuchen wir unter „Anfahrt“. Recht eindrucksvolle Anfahrt wenn man bedenkt dass unsere gesamte Schottlandtour vom letzten Jahr nur 2.400 km lang war. 

Frühstück auf der Terrasse

Beim Packen


Die Nacht war super gewesen. Vom langen Tag auf den Moppeds ermüdet haben wir die Nacht sehr gut in unseren Schlafsäcken geschlafen. Die Entscheidung das komplette Campingzeug mitzunehmen war nicht falsch gewesen. Die Hütten sind nur teilweise mit Bettzeug ausgestattet oder es kostet extra. Wir werfen einfach unsere Schlafsäcke in die Betten und sind bettfertig. Das extra mitgebrachte Spannbettlaken macht mein Bettchen noch ein Tick luxuriöser.
Für uns war noch der gestrige Himmel interessant. Bevor wir kurz vor 12 in die Falle fielen gingen wir nochmal kurz raus. Es war nicht dunkel, die Sonne war zwar nicht zu sehen, aber statt der gewohnten nächtlichen  mitteldeutschen Dunkelheit herrschte hier ein fahles Dämmerlicht, man hätte Zeitung lesen können.

Leicht chaotische Hütte
Früh gab es blauer Himmel Sonnenschein. Wir frühstückten auf unserer Terrasse, die Sonne schien uns dabei ins Gesicht und es gab lecker Croissants – man geht es uns gut! Das haben wir uns aber auch verdient, so lange wie wir auf die Tour hin gefiebert haben (immerhin seit dem Herbst). Der lösliche Kaffee schmeckte sogar inzwischen, das lag entweder an der Gewöhnung oder an der schönen Umgebung. 
Bereit zur Abfahrt
Nach dem Frühstück erfolgte die übliche Suche beim Packen, was ist meins, was ist deins…egal, Hauptsache wir nehmen es mit.

Rovaniemi ist weltbekannt für seine Lage am Polarkreis und als Heimat des Weihnachtsmannes.  

Rovaniemi- Heimat des Weihnachtsmannes
So wohnt also der Weihnachtsmann
Praktischerweise werden beide Tatsachen in einem gemeinsamen Touristenzentrum ausgebeutet. Wir stehen zwar nicht auf solche Touri-Hotspots, aber wir sind einmal hier, Touris sind wir auch – also fahren wir dort wie alle anderen auch vorbei und machen unsere obligatorischen Fotos.
Der heiße Punkt ist nur ein paar Minuten vom Campingplatz entfernt, kaum sind wir losgefahren steigen wir wieder ab. Und wieder zeigen die Navis wie leichter sie uns das Leben machen. Ziel eingeben und losfahren. Ohne langwierige Suche nach Straßenschildern und Richtungen…

Der Polarkreis


Das übliche Tourifoto
Das Weihnachtsmann-Center mit weißem Polarkreis-Strich auf dem Boden erfüllt alle unsere Erwartungen. Der extra aufgemalte Polarkreis LINK wird von allen Touris für fotografische Orgien missbraucht. Von uns natürlich auch. 
Weihnachtsmannhaus, oder eher Kitsch-Supermarkt?

Die Weihnachtsdudelei müsst ihr euch vorstellen
Wegweiser, oben das Nordcap mit 680 km
Von dem Weihnachtsmann-Bereich werden wir mit weihnachtlicher Musik beschallt, Ende Juli bei sonnigen 20° am Morgen eine surreale Erfahrung. Wir waren noch nie Fans der Feier mit dem Coca Cola-Mann, und durch diesen Besuch wird die Liebe sicherlich nicht größer. Aber wir machen wie üblich das Beste daraus, schauen uns alles an, machen ein paar Fotos (Beweis wir waren da gewesen!), und geben keinen einzigen Cent für den Zauber aus.

Nach dem Plastik-Kitsch-Ho-Ho-Ho ging es weiter auf die finnische Landstraße. Von Rovaniemi aus geht es auf der E75 bis nach Pielppajärven am Inarijärvi-See, dort biegen wir nach Nordosten ab auf die Landstraße 971in Richtung Kirkenes. Dieser Ein-Tages-Umweg war am Anfang eigentlich nicht wirklich geplant, aber der Reisebericht von Svenja hat uns überzeugt. Wenn wir einmal hier oben sind… Die Straße macht auf der Karte richtig was her, ein fetter roter Strich in der ansonsten leeren Landschaft, aber im realen Leben ist es nur eine einfache Landstraße vierter Ordnung (nach deutschen Schema).

Finnische Landstrassen Tag 2

Die eindrucksvolle Eintönigkeit der finnischen Landstraßen von gestern setzt sich heute fort. Eine meistens gut asphaltierte Straße die wie mit dem Lineal gezogen durch grüne Birkenwälder führt, selten unterbrochen durch eine Kurve und ein paar Seen. Ich finde das Klasse, mir gefällt Finnland!
Der Verkehr ist sehr übersichtlich, nur alle 5..10 Minuten kommt uns ein Fahrzeug entgegen. Meistens Camper oder Touris mit Dachbox, seltener (meist osteuropäische) LKWs die ihre Ladung durch die Einöde transportieren. Fahrzeuge die in unserer Richtung unterwegs sind überholen wir immer sehr schnell. Die Speedcameras sieht man schon von weitem, Polizisten mit mobilen Anlagen würden sich hier bei 10 Autos pro Stunde kaum rentieren.

Unser erstes Rentier

Unser x-tes Rentier
 Während wir immer weiter nördlich fahren wird die Gegend abwechslungsreicher. Mehr Kurven, mehr Seen, und endlich unsere ersten Rentiere. Gehört hatten wir ja schon öfters davon, nun standen sie leibhaftig vor uns und blockierten eine der Fahrbahnhälfte. Wir führen neugierig schauend an den Viechern vorbei. Die Neugierde war aber recht einseitig, die Rentiere interessierten sich in keinster Weise  für uns, sondern liefen einfach nur gemächlich über die Straße. Aber wir fanden es toll, die Rentiere-auf-Straße gehört ja zu einem Nord Trip wie Mitternachtssonne und die Nordkapkugel!
Nach einer halben Stunde sah ich wieder einige Rentiere neben der Straße stehen. Bei der Pause kurze Zeit später erzählte ich Marc davon, ganz stolz die kleine Herde entdeckt zu haben. Die Antwort fiel wiedermal sehr trocken aus. Er hatte fast ein dutzend Mal Rentiere gesehen die neben der Straße standen….Achso...ja..mmh…aber ich musste mich ja auf den Verkehr konzentrieren weil ich ja vorne fuhr…wie gesagt alle 10 Minuten kam uns ja ein Fahrzeug entgegen….
Dann waren die Rentiere selbst für mich  unübersehbar, sie liefen langsam die Straße entlang und störten sich in keinster Weise an den Campern, PKWs und LKWs die sich an ihnen vorbeizwängen wollten…langsam nervten die Tiere dann doch.



Das Wetter war wieder super, blauer Himmel mit ein paar Wolken. Es war jetzt wesentlich kühler als in den letzten Tagen, wir waren ja immerhin schon nördlich des Polarkreises. Richtig angenehme Temperatur, nur mit den Baden am Abend wird jetzt wohl Schluss sein.
Den zweiten Tankstopp des Tages machten wir irgendwo in der Einöde an einer einsamen Automatenstation. 2 Zapfsäulen, kleines Blechdach drüber und ringsum Quadratkilometer Wald. Ein Österreicher auf einer 990er Adventure (Vorgänger von meiner KTM) war gerade fertig. Wir unterhielten uns natürlich, woher-wohin… Er fuhr die große Runde in der anderen Richtung, d.h. er ist über Norwegen hochgefahren und fährt über Finnland/Schweden wieder zurück. Er kam grade vom Nordkap und zeigte uns Fotos die er dort gemacht hat. Er auf seiner KTM direkt vor der Weltkugel. Cool, das wollten wir auch. Er gab uns den Tipp einfach recht spät zum Nordkapcenter zu fahren und dann einfach zu warten bis die Mitarbeiter Feierabend hätten. Nach 0..1 Uhr ist kaum noch jemand vor Ort und man kann mit seinem Motorrad direkt an den Globus vorfahren.
An seiner schönen KTM entdeckten wir noch einen schmalen kleinen Nordkap-Aufkleber. Wir stehen ja nicht so auf sinnlos zugeklebte Motorräder, aber so einen schön dezenten Aufkleber wollten wir natürlich auch haben.
Als wir uns über unsere Rücktour durch Norwegen unterhielten schwärmte er von den Lofoten. Eigentlich hatten wir nicht vor die Inselgruppe zu besuchen, aber wir sind ja zwang- und planlos… warum nicht. 
Ein See in Nordfinnland

Viele große Ameisenhaufen


Moltebeeren

Moltebeeren aus der Nähe
Die nächste kurze Pause machten wir an einem großen See, der durch die Bäume schimmerte. Auf dem Weg dorthin sahen wir viele große braune Hügel, Ameisenhügel stellten wir bei näherer Betrachtung fest. So viele große und dicht beisammen stehende Ameisenbauten haben wir noch nie gesehen. Der See selbst sieht wunderschön aus, nur das Ufer ist sehr aufgeweicht. Auf dem Rückweg fanden wir noch kleine Sträucher mit gelb/orangen Beeren. Sind das Moltebeeren? Ich dachte die sind schwarz!?
Kurze Kaffeepause...

..mit dem weltbesten Eierkuchen, Vanilleeis und Moltebeeren

Während wir Essen läuft ein Rentier vorbei




Gegen Mittag kamen wir dann in der (immer noch) Einöde an ein paar Holzhütten vorbei. Marc fuhr gerade vorne und er hielt an, kurze Pause, Kleinigkeit essen und trinken… Eine der Hütten so wie ein Caffee aus, Sonnenschirme und Tische davor. Mal schauen was hier in der Waldwüste so angeboten wird. Kaffee war klar, und dazu noch was zu essen… Der freundliche Verkäufer empfahl uns Eierkuchen mit Beeren und Vanilleeis. Die Beeren waren die gleichen Beeren die wir vorhin am See gefunden hatten Sah alles sehr lecker aus, zwei Mal bitte. Wir setzten uns an einen der Tische und warten auf die Eierkuchen. Sie kamen bald und sie schmeckten fantastisch. Die Eierkuchen waren in einem  besonderen Öl gebraten und die Außenseiten schmeckten so gut, ich war begeistert. Für mich das beste Essen der gesamten Tour.
Als wir so neben der Straße saßen hörten wir plötzlich das Geklapper von Hufen. Ein Rentier kam die Straße entlang. Uns fielen die lustigen Hufe auf, sie waren wesentlich breiter als bei unseren Rehen zuhause. Kurze Zeit später kamen 2 weitere Rentiere aus der entgegengesetzten Richtung. Direkt vor uns fuhr ein Auto an den beiden vorbei, es war ihnen aber egal, sie liefen ungerührt weiter.
Weitere Rentiere liefen vorbei
Sieht fast aus wie ein deutscher Kleingarten

Wir erreichten den Inarijärvi – See. Wir könnten jetzt direkt auf der 92 Richtung Nordkap fahren. Da wir aber den Abstecher nach Kirgenes machen wollten bogen wir hinter Pielppajärven (das sind Namen!) nach rechts auf die Landstraße 971 Richtung Neiden ab. 
Landstrasse entlang des Inarijärvi Sees






Diese Straße war wesentlich schmaler, kurviger und hatte auch keine Mittellinie mehr. Rechts von uns war der blaue Inarijärvi mit seinen sehr vielen Inseln.   Der Verkehr hörte praktisch auf, außer uns war hier fast keiner unterwegs. Auf den ersten Stück sah es sehr nach Regen aus, es fielen aber nur ein paar Tropfen. Aber nach kurzer Zeit waren die dunklen Wolken weg und wir hatten unseren weißblauen Himmel wieder. Die Strecke wurde richtig kurvig und kleine Hügel und Täler tauchten auf. Da es keinen Verkehr gab wird es auch keine Polizei geben, wir ließen es also richtig fliegen. Wie im Rausch fuhr Marc vor mir durch die kurvige Strecke und ich hatte Mühe dran zu bleiben. Klasse, so etwas lieben wir, deswegen waren wir hier.
Tankstelle mit Supermarkt an der norwegischen Grenze

Rentiere aus der Nähe




Kurz vor der finnisch/norwegischen Grenze hatten wir eine Tankstelle in unseren Navis gefunden. Kurz nach 17 Uhr kamen wir dort an. Gleich nebenan war eine große Halle. In den Schatten dahinter stand eine Herde von 10..20 Rentieren. Wir konnten auf 3..4 Meter an die Tiere rangehen, so nah hatten wir sie noch nie gesehen. Schöne Tiere, riesige Geweihe und große Hufe. Toll.
Neben der Tankstelle gab es einen Supermarkt. Da es in Norwegen teurer sein wird als in Finnland kauften wir hier noch unser Zeug für den Abend und morgen Früh ein. 
Rippchen, schmeckt so wie es aussieht - sehr lecker
Marc sah ein paar Jungs die vor der Tür saßen und Rippchen aßen. Seit dem Frühstück hatten wir nur ein paar Schokoriegel und die weltbesten Eierkuchen gegessen, was weiter passierte war klar. 10 Minuten später saßen wir auch vor der Kaufhalle und futterten die weltbesten Rippchen in uns hinein. Es waren nicht so dünne Dinger wie es sie bei uns zuhause gibt, sondern es war richtig viel Fleisch daran.
Mit vollen Magen fuhren wir weiter zur Grenze. Auf finnischer Seite bestand die Grenze nur aus einem kleinen Häuschen, Menschen waren nicht zu sehen. Dahinter befand sich neben der schmalen Straße ein Mast mit einer Kamera, und ein paar hundert Meter weiter kam die norwegische Grenzhütte in Sicht. Wie üblich waren wir Motorradfahrer für die Zöllner völlig uninteressant. Auch hier war keine Menschenseele zu sehen und wir fuhren endlich voller Freude nach Norwegen hinein. Bisher sind wir 2.800 km gefahren!
Ob es stimmt oder ob es Einbildung war, rasch veränderte sich die Landschaft, wurde felsiger und wilder. Bäume gab es keiner mehr, nur Grasflächen und selten kleine Krüppelkiefern. Neiden war unsere erste norwegische Stadt, hier bogen wir auf E6 nach Kirkenes ab.
E6 = Europastraße Nummer 6 klingt sehr hochtrabend, in Wirklichkeit ist es hier oben eine einfache schmale Landstraße.
In Kirgenes fanden relativ schnell unseren Campingplatz. Der Besitzer erfüllte voll das Klischee des Norwegers, einen Kopf kleiner als ich (also recht groß), sehr robust und rotblondes Haar. Er strahle irre Energie aus und strotzte nur so vor Gesundheit.
Wir bekamen unsere Hütte für umgerechnet 60..70€. Zahlung mit Karte ging wie überall problemlos, norwegisches Geld hatten wir noch nicht. Wir luden schnell die Kräder ab und stellten alles in unsere typische rote (ja ja es wird langsam langweilig) Hütte. Wir wollten uns noch an einem Geldautomaten einheimische Scheine ziehen und ich wollte nochmal an die russische Grenze. In Kirgenes fand gerade ein Stadtfest statt, die Innenstadt war teilweise abgesperrt. Viele Leute hier, auch viele Autos mit russischen Kennzeichen. Als wir kurz vor einer Straßenabsperrung standen scheuchte uns ein Polizist mit freundlichen Worten weg, der einzige norwegische Polizist den ich auf der Tour gesehen habe.
Einen Geldautomaten fanden wir nicht, also erstmal zur Grenze. Hier in Norge bezahlt man eh alles mit der Karte. Am Stadtrand kamen wir an einem See vorbei an dem sehr viele Autos parkten und es von Menschen nur so wimmelte. Von rechts hörten wir plötzlich lautes Motorengebrüll. Ein großes Snowmobil bretterte eine Wiese herunter und fuhr dann mit hoher Geschwindigkeit über den See. Total verrückt, noch nie gehört dass so etwas geht. Die seltsamen Norwegen veranstalten hier einen Wettkampf wer als schnellstes über die Wasseroberfläche des Sees fahren kann. Staunend sahen wir kurz zu.
An der russischen Grenze

Dann ging es weiter zur Grenze. Viel war davon nicht zu sehen. Wir hielten schon vor dem großen Schild, denn direkt in den Grenzbereich trauten wir uns nicht. Naja, ein paar Fotos schießen und sagen wir waren fast in Russland – das war das Ziel dieses kleinen Abstechers.
Auf der Rückfahrt zur Hütte erwischte uns noch ein recht kräftiger Regenschauer. Auf den teilweise ausgefahrenen schlechten Straßen nicht so ohne, aber wir waren ja inzwischen schon erfahrene Globetrotter und kamen heil am Campingplatz an.
Dort war der Boden sehr aufgeweicht und ich hatte Angst dass mir deswegen der Bock umkippt. Die große KTM steht auf dem Seitenständer nicht besonders sicher, wenn die Koffer dran sind wird es noch kippliger…irgendwann schmeiße ich das Teil um! Nach einigem rangieren stelle ich sie einfach auf den Zufahrtsweg, es wird hier schon keiner im dunklen dagegen fahren (weil es nicht dunkel wird!).
Unsere schöne rote Hütte
Abends das übliche Programm, Hütte einrichten, Abendessen (die Reste der Rippchen), den nächsten Tag planen… Da der Wlan-Empfang sehr schlecht ist setzen wir uns nochmal ne halbe Stunde vor die Rezeption und laden hier unseren Tagesbericht hoch und suchen noch im Internet nach Schlafmöglichkeiten für den nächsten Abend.
Morgen erreichen wir endlich das Nordkap. Wir sind voller Vorfreunde und richtig aufgeladen vor Spannung. Wir wissen, dort ist nur ein Felsen mit Touristenabzocke, aber wir arbeiten seit Herbst auf den Besuch hin und entsprechend krippelt es bei uns mächtig.
Wir genehmigten uns noch etwas geistigen Zuspruch aus Schottland und schliefen dann trotz der Helligkeit draußen schnell ein.

Mittwoch, 25. Februar 2015

Tag 4 Nordmaling/Umae - Rovaniemi

Nordmaling nach Rovaniemi ca. 570km

Früh ohne Wecker munter werden, anziehen, Kaffee kochen, Frühstücken, Sachen zusammen packen, Pferde satteln, Moppedzeug anziehen und dann losfahren…wir haben unseren Rhythmus gefunden und funktionieren und harmonieren wie ein altes Ehepaar.
Wetter ist leicht durchwachsen, Wolken am Himmel aber ab und zu lugt die Sonne raus. Laut Wetterbericht könnte es heute aber nochmal etwas feucht werden.
Wir fahren durch Nordmaling wieder auf die große Straße in Richtung Norden. Weiter am Bottnischen Meerbusen entlang geht’s es über Umae, Skelleftea und Lulea zur finnischen Grenze. In Finnland wollen wir noch weiter bis nach Rovaniemi. Gestern haben wir uns mehrere Campingplätze rausgesucht die vernünftig aussahen.
Auf Finnland freue ich mich sehr. Norwegen kenne ich ja von der letzten Tour, und Schweden soll so ähnlich wie Norwegen nur ohne Landschaft sein. Aber bei Finnland bin ich neugierig wie das Land so ist. Was ich von Finnland weiß: Wenig Menschen, sehr viel Wald und viele Seen, und Mücken ohne Ende. Und der Finne an sich sieht komisch aus, trinkt Wodka pur und sitzt ständig in der heißen Sauna. 
Aber vor der finnischen Offenbarung müssen wir erst einmal die letzten paar hundert Kilometer schwedische Autobahn hinter uns bringen. Die Landschaft steigert sich langsam, sie wird rauer und etwas interessanter. Gestern sind mir schon viele Pkws mit zusätzlichen Scheinwerfern vorne aufgefallen. Der Trend verstärkt sich heute. Ganz normale Fahrzeuge (Passat, kleine Volvos usw.) haben vorne zwischen den normalen Scheinwerfern zwei, drei oder sogar vier richtig große Zusatzscheinwerfer installiert. Im hellen Sommer sind sie wahrscheinlich nutzlos, aber im dunklen Winter machen sie die Nacht zum Tag.
                                                          nordischer Regen auf der E4

Kurz vor dem Mittag gibt es kurz etwas Nieselregen.  Nach einer regenfreien Stunde wird es dann am Horizont immer dunkler und wir ziehen zur Sicherheit unsere Regenjacken an. Da vorne tobt das schönste Wetterchaos und wir fahren wie üblich volle Kanne rein.  Es wird dunkler um uns herum und ein sanfter Regen setzt ein. Meine neue KTM hat angeblich 6 CPUs integriert, eine davon blendet auch die Lufttemperatur im Cockpit an. Diese Anzeige zeigte jetzt das erste Mal unter 20°C an.  Nach ein paar Minuten geht es dann richtig los, riesengroße Regentropfen prasseln…schlagen in einer noch nie erlebten Intensität auf uns ein. Sie trommeln auf unsere Helme und prasseln auf unseren restlichen Körper – so schlimm haben wir Regen noch nie erlebt. Man spürt jeden einzelnen Tropfen durch die Kombi auf der Haut. Die Sicht ist sehr schlecht und das Wasser steht zentimeterhoch auf der Straße weil es nicht so schnell ablaufen kann wie es runterregnet. Die Autos vor uns kriechen mit 30..40 über die Straße. Wenn es etwas zum Unterstellen da gewesen wäre (Brücke, Vordach, Bushaltestelle…) hätten wir angehalten, aber in der nordschwedischen Einöde gab es nichts dergleichen. Also Pobacken zusammenkneifen und weiterfahren.
Der Platzregen weckte böse Erinnerungen in mir. Letztes Jahr in Schottland standen wir nach einem nicht so schlimmen Regen zwei Tage in James Werkstatt rum und es ging nicht weiter. Ich malte mir schon aus wie es wird wenn Marc plötzlich langsamer wird und den rechten Blinker setzt… Das Gepäck reduzieren und zu zweit auf der KTM die über 1.000 km bis zum Nordkap fahren…? Wäre ja zu peinlich wenn wir es nicht bis zum Ziel schaffen würden.
Aber nach dem Schottland-Desaster hatten wir an den Emmen die Wasserablaufbohrung unter der Elektrik vergrößert und Marc hatte jetzt eine günstigere Gepäcktasche auf dem Heck – vielleicht reichen ja diese Maßnahmen um den zweiten Wasserschaden zu entgehen. Hoffentlich, hoffentlich!
Und wirklich, das Glück war diesmal auf unserer Seite. Wie ein Bienchen (oder eher eine Hummel) trieb der 1000er Motor die MZ Richtung Norden durch den Platzregen voran. Und nach einer halben Stunde erschien vor uns der sprichwörtliche Silberstreif an Horizont. Es wurde heller und der Regen ließ merklich nach und hörte nach ein paar Minuten ganz auf. Puh, das hätten wir überstanden! Beim kurz danach stattfinden Tankstopp baute Marc das Gepäck vom Heck der MZ ab und wir entfernten die Sitze um zu schauen ob Wasser in den kritischen Bereich eingedrungen war. Wo vor einem Jahr noch das Wasser zentimeterhoch stand war jetzt alles staubtrocken. Starker Regen war jetzt also kein Problem mehr für die Emme. Diese große Sorge waren wir also los und es ging entsprechend relaxter weiter Richtung finnische Grenze. Jetzt hält uns nichts mehr auf, Nordkap wir kommen! (Auf Holz klopfend.)
Nordschweden, Postkartenidylle
Nordschweden, Postkartenidylle, andere Perspektive
Bei der nächsten nötigen Tankstelle sahen wir neben der Straße einen kleinen Hafen mit einem schönen Leichtturm. Wir liefen das kleine Stück rüber zum Hafen, so sehr nett aus!

Vollgetankt und bereit für die nächsten 200 Kilometer
Weiter ging es durch die letzten schwedischen Städte. Kalix und Haperanda blieben uns als sehr hübsche Städte in Erinnerung. Direkt hinter dem schwedischen Haperanda  liegt das finnische Tornio. Man fährt durch städtisches Gebiet, plötzlich kommt eine Blechtafel, 2..3 Fahnen und man ist in Finnland. Früher hat eine Landesgrenze viel mehr her gemacht. Wenn ich an den Berlinbesuch als Kind zurück denke, als ich vor dem schwerbewachten Brandenburger Tor stand… Aber gut dass diese Zeiten vorbei sind, den damals stand ich auf der falschen Seite der Grenze.  
Finnische Landstraße, Blick nach links...

Und finnische Landstraße, Blick nach rechts

MZ in Finnland, läuft wie ein Bienchen
Und die KTM spielt auch noch mit

Kurze Pause
 Zurück zu Finnland, die Landschaft veränderte sich als wir vor Keminmaa von der Ostseeküste ins Landesinnere Richtung Rovaniemi auf die E75 abbogen. Die Straße wurde schmaler, sie führte durch ebene Birkenwälder, nur ab und zu unterbrochen durch einen kleinen See oder eine Wiese auf der Heidekräuter blühten. Der Verkehr ließ schlagartig nach, nur sehr selten kam uns ein Fahrzeug entgegen. In Finnland darf man auch 100 auf der Landstraße fahren, wir „rasten“ also mit ca. 110 laut Navi die schnurrgerade Straße entlang. Die eintönige Landschaft hat dabei einen besonderen Reiz für mich. An den Wasserflächen sahen wir viele Graureiher. Und wir fuhren an den von Yari angekündigten festinstallierten Blitzer vorbei, man sieht die Teile wirklich schon von Weitem und geht kurz vom Gas.
In Rovaniemi mussten wir zum dritten Mal an diesem Tag tanken. Hier konnten wir wieder in Euros bezahlen, die ungewohnten schwedischen Kronen versteckten wir im hinteren Fach der Geldbörse. Wir werden sie erst in über einer Woche wieder brauchen. Nach dem Tanken stehen wir bei unseren Mopeds und essen noch eine Kleinigkeit. Plötzlich hören wir ein blechernes Kreischt neben uns. Ein riesengroßes nigelnagelneues Campingmonster ist am Tankstellendach hängengeblieben. Das halbjunge dynamische  Familienoberhaupt wollte zwischen  Zapfsäulen und Tankstellengebäude  durchfahren und hat dabei die Höhe und die Länge seines fahrenden Palastes unterschätzt. Nun ist in der blendend weißen Fläche des Alkovens (Moment, kurz googeln – ja Schreibweise stimmt) eine tiefe blaue Kerbe, fast einen Meter lang. Da wird sich die Versicherung freuen. So etwas kann uns nicht passieren, wenn wir ein Kratzer im Haus haben können wir das mit etwas Klebeband flicken. (Das Zelt ist gemeint).
Unsere rote Hütte, die Dritte? Oder Vierte? ....
 Rovaniemi ist nicht erwähnenswert, normale größere Stadt. Die junge Dame im TomTom führte uns zum ersten ausgewählten Campingplatz. Er sah in Realität so gut aus wie im Internet, hatte freie Hütten( natürlich in Rot) und die Umgebung war nett. Also wie üblich die Plastikkarte über den Tresen geschoben und der Hüttenschlüssel war unser.  Hinter den Hütten sah man einen See – die Abendbeschäftigung war also gesichert.
Kurz vor dem Campingplatz führen wir an einem sehr großen Einkaufstempel vorbei. Die Taschen/Koffer/Säcke wurden schnell abgebaut und in die Hütte geworfen. Mit nur leichtem Marschgepäck (Tankrucksack) fuhren wir in den Tempel um uns Abendbrot und Frühstück zu besorgen. Der Laden war wirklich riesig und das Angebot umfasste neben Futter alles was man zum Leben braucht, von der Nagelschere bis zur Kettensäge. Ich war auf meiner Suche nach einem dünnen Halsschutz bisher noch nicht fündig geworden. Hier gab es natürlich auch so etwas, ein blaues Buff-Imitat für 9,99€ - das ist meins! 
Das sind Makkaroni, oder auf finnisch Lihamakaronilaatikko
 Die Sprache der Finnen erstaunte uns sehr, hörte sich komisch an und geschrieben sah es noch lustiger aus.
Die Auswahl war wieder mal zu groß für uns, vor Schreck nahmen wir wieder jeder eine Tiefkühlpizza mit. Dafür gabs aber noch leckere Brötchen und Marmelade fürs Frühstück.
Gegenüber dem Sandstrand ist eine Insel
Bad im Fluß am Polarkreis
Harte Kerle... ;-)
Wieder im heutigem Zuhause angekommen packten wir unsere Sachen aus und verwandelten den Räum ins übliche Chaos. Der See war nur 100m entfernt. Es gab einen richtigen Sandstrand, manche Camper standen direkt am Wasser. Wir sprangen in den See…nein wir gingen langsam in den See hinein, die Wassertemperatur war beträchtlich kälter als gestern. Immerhin waren wir schon am Polarkreis angelangt. Die Strömung in dem See war erstaunlich hoch, wahrscheinlich war es doch ein Fluss! (Später in der Hütte stellten wir fest: Das Ding heißt Kemijoki  und ist mit 550 Kilometern der längste Fluss Finnlands.) 
Lecker Abendbrot...

Nur ein kleiner Teil der Hütten ist belegt
 Nach 10 Minuten im kühlen Nass waren wir genug erfrischt, die Pizzen warteten auf uns. Der Herd in der Hütte war gerade groß genug für eine Pizza, wir aßen also in Etappen. Geschmeckt hat es, aber morgen müssen wir bei der Wahl der Nahrung etwas kreativer sein.

Planung der morgigen Strecke per Handy
Als Tagesabschluss wurde die morgige Tour geplant. Wir könnten zwar direkt zum Nordkap fahren, aber Svenjas Abstecher nach Kirkenes hat uns so gut gefallen das wir dort auch hin wollen. Wir finden mit den Handys ein paar Campingplätze und geben den Besten schon mal in die Navis ein.
Mit einer warmen Dusche und einem kühlen Whisky beenden wir den Tag.
Am Abend ging noch eine Entenfamilie spazieren.