erster Tag in Schweden ca 640km |
Irgendwann zwischen 4 und 5 Uhr früh wachte ich auf. Ich war wie zerschlagen, Kopf, Nacken, Rücken – alles tat mir weh. Diese bescheuerten Sitze! Ich fühlte mich müde und miserabel, und so wollte ich den ganzen Tag mit dem Motorrad fahren? Wie es Marc ging interessierte mich in meinem Zustand nicht, aber wahrscheinlich hat er geschlafen wie ein Baby. So eine Nacht passiert mir sicherlich nicht wieder!
Aufgehende Sonne 5.50 Uhr |
Gegen Müdigkeit helfen bei mir immer zwei Dinge, Kaffee
und Zucker. Also gingen Marc und ich in das große Restaurant gleich nebenan.
Der eine Kellner sprach Marc gleich auf unsere Nordkap-Tshirts an und erzählte
irgendetwas. Richtig mitbekommen habe ich davon nix, mein Gehirn war dafür noch
zu benebelt. Kaffee und Zucker standen auf meiner Liste. Ich fand beides
problemlos, eine weitere Speise mit etwas Substanz fehlte mir aber noch.
Belegte Brötchen oder Ähnliches hätte ich gerne noch gehabt. Aber es gab nur
große glänzende Schokomuffins, denen man die industrielle Herstellung schon von
weitem ansah. Egal, ich kaufte mir so ein großes klebrig süßes Schokoteil. Es
schmeckte genauso schlecht wie es aussah. Aber durch ausreichendem Nachspülen
mit heißem Kaffee konnte ich es runter schlucken. Blitzartig strömte der Zucker
in rauen Mengen koffeinverdünnt durch meine Adern und vertrieb die bleierne
Müdigkeit aus meinen Gliedern. Plötzlich war ich putzmunter und freute mich aufs
Anlanden an der schwedischen Küste. So schlimm war die Nacht doch garnicht!
Wo gestern noch gähnende Leere war.... |
Runter zu den Motorrädern, wo gestern noch weite gähnende
Leere war stand jetzt dicht gepackt ein Lastzug neben dem anderen. Wir waren
richtig eingeschlossen und mussten warten bis sich die 40 Tonner aus dem Schiffsbauch gequält hatten. Spannriemen
gelöst, Zeugs angezogen und gewartet bis die Brummis abfuhren.
Zugeparkt auf dem Fahrzeugdeck |
Als sie raus
waren Helm aufgesetzt und den gleichen Weg von gestern Abend zurückgefahren,
ins blaue Traumwetter hinein. Nur diesmal in Schweden und nicht in Mecklenburg.
Runter vom Schiffsdeck |
Fahrt durch den Hafen |
Wir fuhren erstmal stur den LKWs durch den Hafen hinterher und irgendwann kamen
dann Hinweisschilder für PKW. Diesen Spuren folgend verließen wir den Hafen.
Wir waren in Skandinavien angekommen und die lange Fahrt auf der Straße begann.
Sie sollte rund 7.000 km bis zur nächsten Ostseefähre lang sein.
Ausfahrt aus dem Hafen |
Trelleborg ist eine normale größere Stadt, die
Kennzeichen und Werbeschilder sind ein wenig anders, sonst ist kein großer
Unterschied festzustellen. Wir wollten ja in Schweden Strecke machen, also
fuhren wir schnurstracks auf die Autobahn E20 Richtung Malmo. In Helsingborg
wechselten wir auf die E4 und fuhren die lange Strecke Richtung Stockholm bis
nach Västerås, ca. 80 km westlich von Stockholm.
Lange Autobahntouren sind das Highlight auf jeder unserer
Touren. Aber hier wurde es etwas aufgewertet durch die liebliche schwedische
Landschaft, Hügel und Wälder, Wiesen und Felder, viele rote Holzhäuser….ok nach
ner Stunde wird das dann auch Langweilig. Der große See Vättern brachte
zeitweise etwas Abwechslung in die Fahrt, die riesen Wasserfläche mit Häfen und
vielen Booten neben der Straße sah super aus.
Erste kleine Rast hinter Trelleborg |
Abwechslung in die
Autobahnbolzerei brachten nur die 3 Tankstopps die wir machen mussten. Tanken
war überhaupt auf der gesamten Tour neben dem Fahren unsere häufigste
Beschäftigung. Die Kräder haben eine Reichweite von 230..250 km, und so musste man
alle Nase lang anhalten und hatte ständig eine Zapfpistole in den Händen.
Vor schwedischen Feldern |
Die Temperatur in Schweden hat uns überrascht. Statt
kühlem Nordwetter waren es auch hier 30° warm, keine Wolke war am Himmel und
die Sonne strahlte gnadenlos auf uns hinab. Der Fahrtwind sorgte für etwas
Abkühlung, aber drei Punkte machten mir etwas zu schaffen. Meine erstklassige
Dane-Textiljacke hat am Ärmelende
sogenannte Stormcuffs, eigentlich Gummibündchen die die Arme komplett umschließen
und gegen Wind und Wetter abdichten. Normalerweise super Sache, aber bei 30°
kommt dann auch kein Lüftchen durch und die ganzen Arme braten bei den
Temperaturen im eigenen Saft. Die Handprotektoren meiner KTM schützen die Hände
sehr gut vor Wind, Regen usw. Aber eben
auch vor kühler Luft bei hohen Temperaturen. Gleiches Problem wie bei den
Armen. Und abschließend habe ich bei meiner umfassenden Planung der Tour meinen
Hals halb vergessen. Für kältere Bereiche hatte ich meinen prima
Neopren-Halsschutz LINK dabei. Er hielt mich später auch immer warm und
trocken, aber an den heißen Tagen konnte man das Teil unmöglich verwenden. Ich
fuhr also am Hals nackig durch die Gegend. Eigentlich kein Problem, aber bei
stundenlangen Fahrten unter praller Sonne kommt es bei meiner blütenweisen Haut
schnell zum Sonnenbrand am Hals. Ein Faktor den ich überhaupt nicht auf meiner
Rechnung hatte. Da Marc und ich kein weiteres Tuch mithatten musste ich das
erstmal ertragen und konnte nur schauen ob es in den Tankstellen was Passendes
zu kaufen gibt. Marc der alte Fuchs
hatte sich vor der Tour beim Louis in Leipzig noch ein originales Buff LINK geholt. Die 17€ waren mir damals aber zu teuer.
Pause auf einer Raststätte |
So fuhren wir also unter der sengenden Sonne in Richtung
Stockholm. Die Belastung durch die Autobahn-Gurkerei und die hohe Temperatur
setzte uns dabei ganz schön zu.
Dass die Nacht auf der Fähre nicht so toll werden würde
hatten wir schon vorher geahnt. Um uns an diesem Tag die Suche nach einer Unterkunft
zu ersparen buchten wir kurz vor der Abreise eine Hütte über das Internet. Die
Adresse hatten wir ins Navi geworfen und erwarteten jetzt dass die freundliche
Dame uns direkt bis vor die Rezeption leitet. Aber irgendwie klappte das nicht,
wir standen in irgendeinem Wohngebiet in Västerås, Straße, Nummer und PLZ
passten irgendwie nicht zusammen und von dem Sommercamp gab es keine Spur.
Links rum, rechts rum, nochmal im Internet nach der Adresse geschaut, aber
beide TomToms streikten. Zur Ehrenrettung von TomTom: Das Navigon auf dem Handy
hat auch nix vernünftiges gefunden. Zwischendrin mussten wir Tanken. Kein
Problem, gleich nebenan war eine Tanke. Hingefahren, getankt und
weitergefahren. Danach fuhren wir noch zu einer Bank um uns mit Bargeld zu
versorgen. Dort merkte Marc dass er seine schicke neue Brille nicht mehr auf
der Nase trug. Wahrscheinlich hatte er sie beim Tanken abgesetzt und dort
liegen gelassen. Er hat halt noch zu gute Augen, ich mit meinen 4 Dioptrien
hätte ohne Brille nicht mal den Gasgriff gefunden. Wir kehrten um, die Brille
wird bestimmt noch auf der Zapfsäule liegen.
Lag sie aber nicht, auch nicht auf den anderen Säulen, im Shop war sie
nicht abgegeben worden, zerschmettert auf dem Boden lag sie auch nicht, sie war
spurlos verschwunden! Ein toller Start der Tour! Und das war nicht die erste
Brille die so verschwunden ist…
Urplötzlich heilt Marc seine Brille in der Hand. Sie lag
die ganze Zeit auf seiner Hecktasche. Obwohl wir fast quer durch die ganze
Stadt gefahren sind und dabei zig mal um die Ecke bogen lag das gute Stück auf
der Hecktasche als ob sie festgebunden wäre. Unglaublich, Glück muss man haben.
Mit nun wieder vier halbwegs scharfen Augen machten wir
uns erneut auf die Suche. Nach weglassen von PLZ und Hausnummer fand ein Navi
einen weiteren Teil der Straße im Süden der Stadt –fahren wir da mal hin. Die
Stadt blieb fast zurück, Waldstücke und Seen säumten die Straße und wir fuhren
über eine längere Brücke. Und irgendwann entdeckte ich an einem Schotterweg das
Hinweisschild zu „Björnö Cottages“.
Endlich hatten wir das Hüttending gefunden. Erstaunlich das es trotz Adresse
Stunden dauern kann bis man sein Ziel findet.
Der Campingpark LINK bestand
aus vielen kleinen, wie üblich roten Holzhütten und lag direkt an dem See
Västmanlands Län.
Wir fuhren zur Verwaltungshütte und schälten uns aus den
Klamotten. In der Stadt fehlte der kühlende Fahrtwind und uns war mächtig heiß
und wir waren durchgeschwitzt. Jetzt eine Dusche!
Die diensthabende hübsche (was sonst) und blonde (was
sonst) Schwedin war auf unsere Ankunft vorbereitet. Schnell die Visa
durchgezogen und wir hatten den Hüttenschlüssel in der Hand. Sie zeigte uns
noch schnell die Hütte, Küche und Bad. Die Hütte war für 4 Personen gedacht,
entsprechend groß und mit einer richtigen Küche ausgestattet. Wunderbar!
Unsere erste Hütte |
Zum ersten Mal auf der Reise bezogen wir unser Quartier.
Die Reisedampfer wurden vor die Hütte bugsiert,
Koffer und Taschen abgeschnallt und der Inhalt in die Hütte verfrachtet.
In Sekundenbruchteilen wurde dadurch eine schöne, aufgeräumte und leeren Hütte
in ein Chaos aus Taschen, Motorradklamotten, Stiefeln usw. verwandelt. Eine
Metamorphose die sich in den nächsten Wochen täglich abspielen sollte, und die
mich jedes Mal erstaunte.
Auf der Herfahrt hatten wir kurz vor dem Campingpark
einen Supermarkt gesehen. Dort fuhren wir nochmal mit den gepäckbefreiten
Moppeds in Jeans und ohne Jacke hin. Herrlich wie leicht sich die Maschinen
ohne Beladung fuhren und wie schön der Fahrtwind kühlte. Wir kauften uns jeder eine
Pizza fürs Abendbrot und fürs Frühstück irgendwelche Quarktaschen und
Schokomuffins (die kennt man ja).
Der blonde
schwedische Engel hatte etwas von einem Badestrand geflötet. Wir waren so
durchgeschwitzt und genervt von dem Tag in Moppedzeug bei 30°, ein Sprung ins
kühle Wasser wäre jetzt die Erlösung. Badehosen hatten wir natürlich aus
Gewichtsgründen nicht eingepackt (sollte ja kein Strandurlaub werden). Aber der
modische Männerslip sieht ja fast wie eine Badehose aus, und außerdem kennt uns
hier eh keiner. Also sind wir so wie wir waren zum See geschlurft. Das Ufer war
sehr felsig, soll in den skandinavischen Fjorden ja öfters vorkommen. Es gab
deshalb nur einen kurzen Steg der ins Wasser führte. Wir zogen unser
verschwitztes Zeug bis auf die U-Hose aus und stiegen ins Wasser. Was für eine
Wohltat! Nach mehr als 30 Stunden in den Klamotten, nach der heißen Fahrt zur
Fähre, der warmen, unbequemen Nacht auf dem Schiff und dem Tag auf der 30°
warmen Autobahn plötzlich dieses Bad in dem kühlen erquickendes Nass.
Welch Genuss und welch krönender Abschluss des Tages.
Urlaub kann so schön sein!
Nach der langen Genussphase gingen wir hungrig zurück zur
Hütte und aßen die Pizzen.
Da es trotz später Stunde noch hell war gingen wir vor
dem Zapfenstreich nochmal zu den Felsen am See. Dort gossen wir schottischen
Götternektar in unsere schnöden Blechtassen.
Bei der Schottlandtour letztes Jahr hatten wir durch
intensives hartes tägliches Training herausgefunden das uns hochwertiger Whisky
schmeckt, und das es nicht zu teuer ist 40..50€ für eine solche Flasche
auszugeben.
Enjoy |
Wir saßen müde vom anstrengenden Tag auf dem Felsen,
schauten auf die schöne schwedische Seenlandschaft und atmeten den faszinierenden
Duft des schottischen Gerstensaftes tief in uns ein….Leben ist schön!
Ankunft in Trelleborg
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